Die Entdeckung des ästhetischen Codes

 

Harmonie als Lebensprinzip

Die Evolution lebendiger Strukturen hat Millionen von Jahren gedauert. Sie führte zu einem perfekten Zusammenspiel aller Kräfte und Individuen. Ihnen gemeinsam ist eine überlebenswichtige Eigenschaft: das Anpassungsvermögen an eine sich wechselnde Umgebung. In der Biologie ist es ein wesentliches Kriterium für Intelligenz.

 

 

Die Fähigkeit der Adaption aller Einzelkomponenten führt zu einer kollektiven Harmonie. Stimmt etwas nicht, so kann das gewollt sein wie eine Signalfarbe. Meist aber führt das Unpassende zu einer Abstoßreaktion wie bei einer falschen Blutgruppe. Betrachtet man die Komplexität dieses Zusammenspiels, versteht man die Kurzlebigkeit vieler von Menschen geschaffener Produkte.

 

Trotzdem - wir haben eine Chance, wirklich gute Dinge zu entwickeln. Denn hinter der faszinierenden Vielfalt in der Natur steht oft ein ebenso faszinierend einfacher Bauplan. Das ist fast logisch, denn ein Individuum muss sich reproduzieren können, ohne an allzu vielen Fehlerquellen zu scheitern. Einige dieser Baupläne nutzen wir bereits, andere beginnen wir zu verstehen. Beispiel sind: Proteine, die aus den 20 Aminosäuren gebildet werden; für den Aufbau einer Zellmembran reicht eine Hand voll Phospholipide und nur 4 Basen bestimmen den genetischen Code.

 

Zahntechniker arbeiten mit genau diesen Phänomenen. Sie stehen vor der schweren Aufgabe, etwas zu schaffen, wofür die Natur fast unendlich viel Zeit hatte. Tatsächlich bewegen auch sie sich in dem komplexen und gleichzeitig einfachen System - ohne es vielleicht so wahrzunehmen. Seit kurzem ist das gewiss: Man hat das verwirrende Lichtspiel im Zahn verstanden - und dahinter verbirgt sich ein einfacher, ästhetischer Code.

Die Komplexität des lebendigen Lichts

 

Natürlichkeit ist eine Empfindung und keine eng umschriebene Botschaft. Einen natürlichen Aspekt bietet, was mit wechselndem Licht und Standort des Betrachters immer ein wenig anders aussieht. Der Gegensatz ist ein Portrait, es hält einen Moment fest, wobei die Differenz zur Gegenwart ständig wächst. Zahntechniker konnten oft nichts anderes tun, als Portraits eines künstlichen Zahns zu liefern, der in der 

Zahnarztpraxis wie echt aussah. Schon im Sonnenlicht unterlag er einer optischen Abstoßreaktion. Man hat mit Pigmenten und Werkstoffen arbeiten müssen, die sich nicht der Umgebung anpassen können. Sie sind damit tot.

 

Im natürlichen Zahn findet ein komplexes Lichtspiel statt und eben das ist für den vitalen Eindruck verantwortlich. Grundliegende Phänomene sind Opaleszenz und Fluoreszenz, die miteinander wechselwirken und dabei Licht und Farbe Leben geben. Der natürliche Zahnschmelz verhält sich wie ein Spektralfilter, eine Voraussetzung für seine opaleszierende Wirkung: Das kurzwellige blaue Licht wird vermehrt reflektiert. Das langwellige Licht passiert zum überwiegenden Teil den Schmelz ungebrochen. So schimmert der Schmelz im Auflicht bläulich-weiß, im Durchlicht aber Bernstein-farben.

 

Die echte Opaleszenz interagiert mit der natürlichen Fluoreszenz des Zahnes, die seinen Helligkeitswert wesentlich bestimmt. Es ist ein Licht aus dem Inneren, fluoresziert das Dentin doch deutlich mehr als der Zahnschmelz. Die Energie liefert das kurzwellige UV-Licht im Tageslicht. Es erzeugt die Fluoreszenz, in dem es zu sichtbaren längerwelligen Licht transformiert wird.

 

Opaleszenz und Fluoreszenz spielen zusammen mit der Transparenz, die wiederum von Position zu Position variieren kann und somit in unterschiedlichem Maße die Einflüsse der Umgebung aufnimmt. Letztendlich verändern auch feine Inhomogenitäten in Schmelz und Dentin den Weg des Lichts. Dieses Chaos sorgt für die Nuancen und Facetten, die Natürlichkeit ausmachen. Wird ein Zahn aus Werkstoffen aufgebaut, die diese optischen Phänomene zulassen, dann lebt er mit seiner Umgebung und altert nicht wie ein Portrait.